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Der Beier ist wieder im Knast

Der Beier ist wieder im Knast

Erst saß er, jetzt hängt er - der Schwarzenberger Holzgestalter Jörg Beier war 1969/70 politischer Gefangener, zum Schluss im Zuchthaus Cottbus. Das traditionsreiche Haus aus der Kaiserzeit, in der Weimarer Republik sogar mit ausgeprägten pädagogischen Ansätzen ausgestattet, war in den Diktaturen von 1933 bis 1989 Zuchthaus, besonders für politisch Unliebsame. Am 10. Dezember 2013 wurde hier die Dauerausstellung “Karierte Wolken” eröffnet, auch mit Werken des Schwarzenberger Künstlers.

In einer Videoinstallation im Zuchthaus Cottbus spricht Jörg Beier darüber, wie die Hafterfahrung sein Leben bis heute beeinflusst.
In einer Videoinstallation im Zuchthaus Cottbus spricht Jörg Beier darüber, wie die Hafterfahrung sein Leben bis heute beeinflusst.

"Manche kamen in der DDR nicht klar und heute auch nicht" bekam ich unlängst zu hören, als das Gespräch auf Beier kam, "Manche müssen immer dagegen sein." Mein Gegenüber, das einstige Blockpartei-Mitglied, sieht sich heute wieder einmal an der Seite der Sieger der Geschichte.

Ich weiß gar nicht, wie weit Jörg Beier schon immer "dagegen" war. Er hat sich für Literatur und Kunst interessiert, Umstände und Sinn hinterfragt und selbstverständlich Witze erzählt; zum Beispiel über Macht ausübende Parteikarrieristen, gern auch Idioten genannt, und über ihre Steigbügelhalter. Das macht er heute noch so.

"Verstummender" von Jörg Beier
"Verstummender" von Jörg Beier

Und wenn sich heute die demokratische Mehrheit lieber auf ein kleinstes gegenseitiges Übel verständigt als auf den größten gemeinsamen Nutzen, dann ähneln sich die Verhältnisse. Ah ja, und wenn heute eine führende Partei stolz auf ihre Netzwerke ist und versucht, politische Gegner wo immer möglich kaltzustellen, auch dann ähneln sich die Verhältnisse. Da kann man als Demokrat schon wieder dagegen sein.

Dagegen sein heißt doch nicht immer und alles nur abzulehnen, es heißt doch auch, nach Fortschritt, nach Verbesserung zu suchen, das Gute zu fördern - gegen Funktionsträger, die ihren Mangel an Phantasie und Rückgrat mit der Einhaltung von Recht und Gesetz verwechseln.

DENK MAL COTTBUS von Jörg Beier
DENK MAL COTTBUS von Jörg Beier



Beiers Engel sind völlig eigenständige Kunstwerke. Sein Schöpfergeist bannte alle Hoffnungen und Ängste, die Menschen je hatten, in seine Figuren. Sie verströmen deshalb Wärme und Kälte zur gleichen Zeit. Sie streben himmelwärts und sind doch geduckt. Sie sind anziehend und auch abwesend. Sie sind Symbole für die Zerissenheit des Menschen. (Hanjo Seißler, Theologe und Publizist, München)
Beiers Engel sind völlig eigenständige Kunstwerke. Sein Schöpfergeist bannte alle Hoffnungen und Ängste, die Menschen je hatten, in seine Figuren. Sie verströmen deshalb Wärme und Kälte zur gleichen Zeit. Sie streben himmelwärts und sind doch geduckt. Sie sind anziehend und auch abwesend. Sie sind Symbole für die Zerissenheit des Menschen. (Hanjo Seißler, Theologe und Publizist, München)

Frank Neubert (1945 - 2008) war Jörg Beiers Freund aus Studenten- und Zuchthaustagen. Sein Christus hängt vor Ver- und Geboten. "Du sollst" und "Du sollst nicht" reichen aber nicht aus, um die Welt zu verändern, so ein Gedanke im Begleittext.

Der Christus von Frank Neubert. Neubert, geboren in Schönheide/Erzgebirge, Studium - wie Jörg Beier - an der Fachschule für Angewandte Kunst in Schneeberg, nach Haftentlassung und Ausreise Meisterschüler, Künstler und Designer in Nürnberg.
Der Christus von Frank Neubert. Neubert, geboren in Schönheide/Erzgebirge, Studium - wie Jörg Beier - an der Fachschule für Angewandte Kunst in Schneeberg, nach Haftentlassung und Ausreise Meisterschüler, Künstler und Designer in Nürnberg.

"Karierte Wolken" stellt das Leben und Erleben der Häftlinge von 1933 bis 1989 in den Mittelpunkt, ordnet zeitgeschichtlich ein und schlägt die Brücke zum Engagement für die Menschenrechte in der Gegenwart.

Der Autor Fritz Rudolph Stänker
ist Kommentator beim Görlitzer Anzeiger.

Fotos: © www.goerlitzer-anzeiger.de


Hingehen!
Dienstags bis freitags von 10 bis 16 Uhr
Menschenrechtszentrum Cottbus e.V.
(ehemaliges Zuchthaus)
Bautzener Straße 140, 03050 Cottbus
Tel. 0355 - 2 90 13 30

Mehr:
www.menschenrechtszentrum-cottbus.de

Hintergründe im Görlitzer Anzeiger:
15.02.2013: Politische Haft im DDR-Zuchthaus dokumentiert
05.09.2012: Wolf Biermann - Benefizkonzert für einen Knast
10.01.2010: Künstler vom Cottbusser Knast

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